Made by me in Saxony - Neue Sächsische Volkskunst
von Anett Lentwojt, 18. Juli 2017
Höre ich sächsische Volkskunst, denke ich sofort an die Melodie "Wenn dis Raachermannl nabelt..." , arme Bergleute mit Rüböllampen schnitzen und drechseln in niedrigen Häuslerstuben, der Wind bläst kalt Schneewehen an die Fenster und der Oheim am Ofen erzählt von der Zeit, als der Stülpner Karl als Freijäger durch die Wälder zog und die Herrschaft narrte.
Dieses Klischee haben viele Leute vor Augen. Es wurde und wird bis heute fleißig bedient, durch die gewieften Marketingexperten, die ganzjährig ihre Räuchermännchen und CNC-gefrästen Schwibbögen in der ganzen Welt verkaufen. Ist diese Industrie noch Sächsische Volkskunst?
Karsten Jahnke, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Museum für Sächsiche Volkskunst im Jägerhof hat sich mit seinem Team auf die Suche begeben, was ist denn DIE Sächsische Volkskunst überhaupt? Zuerst recherchierte er in der Vergangenheit und stieß in der Gegenwart auf gelebte sächische Kreativität. Die Erkenntnisse sind in der neuen Ausstellung "Volkskunst Jetzt!" zusammengefasst.
Oskar Seyffert, der Gründer des Museums für Sächsische Volkskunst war selbst ausgebildeter Maler. Er liebte die ursprüngliche, nichtakademische Kunst und sammelte sie. Er mochte die "Freude am Tun" und nicht die bloße Stilnachahmerei. 1896 initiierte er eine Ausstellung "Sächsisches Handwerk und Kunstgewerbe" auf dem alten Messegelände am Großen Garten, wo heute die Gläserne Manufaktur von VW steht. Hier wurde ein wendisches Dorf aufgebaut, Trachten getragen und von Blaudruck, über Ostereiermalerei bis zum Mannlschnitzen die Volkskunst des 19. Jahrhunderts präsentiert. Die Nazis interpretierten die Volkskunst als Deutschtum und entwickelten neue Trachten für den Alltag. Durchgesetzt hat sich diese Mode nicht. In der DDR-Zeit galt Volkskunst als bildnerisches Schaffen, als Ausdruck von Kreativität und sollte, in Zirkeln organisiert, die sozialistische Persönlichkeit fördern. Heute lebt die Volkskunst durch die D.I.Y.-Bewegung. Die Sachsen verbringen ihre Freizeit nicht nur vor dem Rechner. Frei nach dem Motto: "Und wenn es nichts geworden ist, landet es auf dem Kompost der Erfahrung" werkeln sie los.
Ein Ingenieur baut Roboter für Festivals und zur Unterhaltung der Leute, Mario Lerch sammelt Treibholz und bastelt daraus Figuren, hr.fleischer.ev mit seinem Institut für fadenscheinige Meeresforschung baute unter dem Motto "Halle häkelt" ein ganzes gestricktes und gehäkeltes Meeresaquarium mit Pflanzen und Meeresbewohnern nach. Dem nicht nachstehend, klöppelten die Klöpplerinnen von Jahnsdorf ein Insektarium. Einzeln betrachtet, könnten diese Käfer, Libellen und kleinen Spinnen als Schmuckstecker der Haute Couture durchgehen. Alwin Weber ist mit seiner Lötkunst vor Ort und mein Lieblingsausstellungsstück fand sich in der Cafeteria der Oederander Volkskunstschule. Getöpferte Fantasieinsekten, aufgespießt wie im Insektenmuseum in einem Wandkasten.
Die Ausstellung wird von zahlreichen Workshops und Veranstaltungsreihen begleitet. Besonders geeignet, wenn man mit Kindern in Dresden reist. Das vollständige Programm steht auf der Webseite der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
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